Wir sind nachsichtiger gegenüber Menschen, die uns nahe stehen

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Wie reagieren wir, wenn unsere Lebenspartner, Freunde oder Familienmitglieder sich unethisch verhalten? Die bisherige Forschung sagt uns viel darüber, wie wir auf das unethische Verhalten eines Fremden reagieren, aber sehr wenig darüber, wie wir reagieren, wenn der Täter jemand ist, der uns sehr am Herzen liegt. Fest steht: Wenn jemand, der uns nahe steht, sich unethisch verhält, stehen wir vor einem Konflikt zwischen der Wahrung unserer moralischen Werte und der Aufrechterhaltung unserer Beziehung. 

Wir haben ein dreiteiliges Experiment mit mehr als 4.500 Teilnehmern durchgeführt. Sie lasen über hypothetische Situationen, in denen der Partner oder ein enger Freund und ein Fremder eine unmoralische Handlung begingen, wurden von uns gebeten, sich an einen Moment zu erinnern, in dem sie Zeuge einer unmoralischen Handlung des Partners, eines Freundes oder eines Fremden geworden waren, und führten 15 Tage lang jeden Tag ein Protokoll über moralische Übertretungen, deren sie Zeuge wurden. In allen drei Teilen des Experiments stellten wir fest, dass die Teilnehmer weniger Wut, Verachtung und Abscheu gegenüber Familienmitgliedern und engen Freunden empfanden, die sich schlecht benahmen. Sie schätzten sie als moralischer ein und wollten sie weniger bestrafen oder kritisieren als Fremde. Allerdings empfanden sie auch mehr Scham, Schuldgefühle und Peinlichkeit und schätzten ihre eigene Moral negativer ein, wenn eine ihnen nahestehende Person einen moralischen oder ethischen Verstoß beging.

In einem weiteren Experiment haben wir die Teilnehmer mit einem romantischen Partner, einem engen Freund oder einem relativ fremden Menschen zusammengebracht. Wir ließen sie in getrennte Räume gehen und baten sie, schriftlich auf eine Reihe von Fragen über sich selbst zu antworten. Dann tauschten die Paare ihre Antworten aus und wurden von uns aufgefordert, sie in ein Buch zu übertragen. Das Ergebnis ist ähnlich, aber weniger stark ausgeprägt. So deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass eine enge Beziehung zu einer Person, die gegen die Regeln verstößt, die Reaktionen auf deren schlechtes Verhalten stark beeinflusst, was die Forderung unterstützt, dass der Faktor der sozialen Beziehung stärker in die Modelle der moralischen Beurteilung einbezogen werden sollte.

Die Ergebnisse sind wichtig, weil unethische Verhaltensweisen im Alltag oft mit sozialen Bindungen verbunden sind. Die Feststellung, dass Personen gegenüber nahestehenden Personen, die sich unethisch verhalten, nachsichtiger sind, wirft die Frage auf, wie moralische Normen von Personen in solchen Situationen kontrolliert werden. Dies kann dazu führen, dass die Menschen die Übertretungen von nahestehenden Personen entweder übersehen und/oder nicht anprangern, was eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der moralischen Normen der Gesellschaft darstellt – das gilt im übrigen auch für andere Beziehungen wie Gruppenmitgliedschaften.

Unsere Experimente sind ein erster Schritt zum Verständnis der Reaktionen auf das unethische Verhalten nahestehender Personen, aber in Zukunft müssen wir versuchen, nicht nur eine vielfältigere ethnische Gruppe zu repräsentieren, sondern auch die Vielfalt der sexuellen Orientierung, die für die Erforschung von Partnerschaften besonders wichtig ist.

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