Wenn der Liquor Migräne verursacht…

Lichtblitze, Verzerrung des Gesichtsfeldes, verschwommenes Sehen und dann der Schmerz. Unerträglich. Der Schmerz ist auf einer Seite des Kopfes lokalisiert und pulsiert im Rhythmus des Herzschlags. 148 Millionen Menschen weltweit sind betroffen.

Auch die Migräne gibt Rätsel auf. Denn obwohl die Migräne vom Gehirn ausgeht, kann sie dort nicht direkt wahrgenommen werden, da das Hirngewebe selbst schmerzunempfindlich ist. Wo also entsteht der Schmerz? Forscher um Maiken Nedergaard von der Universität Kopenhagen haben nun herausgefunden, was der grundlegende Mechanismus dieser Wahrnehmung sein könnte. Sie fanden heraus, dass chemische Substanzen, die das Gehirn während eines Migräneanfalls ausschüttet, in Nervenzentren an der Schädelbasis, den sogenannten Trigeminalganglien, fließen. Dort stimulieren sie Schmerznerven, die Gesicht und Kopf versorgen, und lösen so die Migräne aus.

Um dies zu demonstrieren, injizierte das Team zunächst fluoreszierende Marker in das Gehirn von Labormäusen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass sich die Marker nach sechs Minuten in den Trigeminalganglien an der Schädelbasis befanden. Sie bewegten sich weiter in den Liquor cerebrospinalis, eine Flüssigkeit, die das Innere des Schädels auskleidet. Die Flüssigkeit floss durch einen dünnen Abflusskanal, durch den die Marker das Gehirn verlassen konnten.

Ist das der Mechanismus des Schmerzes?

Um dies herauszufinden, injizierten die Forscher den Mäusen ein schmerzauslösendes Molekül (einen Chili-Extrakt) ins Gehirn. Das Ergebnis: Sechs Minuten später erreichte das Molekül die Trigeminalganglien und wurde von der Rückenmarksflüssigkeit weggespült. Und das Schmerzzentrum in der Schädelbasis leuchtete auf.

Doch welche Rolle spielt Chili bei einem Migräneanfall? Diesmal lösten die Wissenschaftler Migräneanfälle bei Mäusen aus, indem sie Neuronen in der Hirnrinde stimulierten, um eine für Migräne charakteristische elektrische Welle zu erzeugen. Dann warteten sie wieder sechs Minuten, bis die Flüssigkeit die Schmerzzentren erreicht hatte. Dann analysierten sie sie. Das Ergebnis: Die Flüssigkeit enthielt 21 Proteine, doppelt so viele wie ohne Migräne. Von diesen 21 Proteinen aktivieren 12 das Schmerzzentrum – wie die Chili-Moleküle.

Bei einem Migräneanfall schütten die Nervenzellen schmerzauslösende Moleküle aus, die über die Rückenmarksflüssigkeit aus dem Gehirn in die Trigeminalganglien gelangen. Die Trigeminalganglien senden dann das Schmerzsignal.

Was können wir daraus lernen?

Einerseits bestätigen diese Arbeiten die Bedeutung des Kanalsystems im Gehirn. Vor zehn Jahren hatte Maiken Nedergaard eine kleine Revolution in der Welt der Neurowissenschaften ausgelöst, als sie zeigte, dass das Gehirn über ein Kanalsystem verfügt, das sie glymphatisches System nannte. Es stellte sich heraus, dass diese Flüssigkeit schädliche Substanzen zu den Trigeminalganglien transportiert. Ein Migränemedikament, der CRGP-Inhibitor, greift eines der Moleküle an, die in der Liquorflüssigkeit gefunden wurden. Es verbessert bereits das Schicksal von Millionen Migränepatienten. Die anderen 11 Moleküle sind jedoch noch nicht im Visier. Wäre dies der Fall, könnte man hoffen, auch die anderen Patienten behandeln zu können, für die es noch keine Therapie gibt.

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