Der Klimawandel verstärkt die Symptome einiger Hirnerkrankungen. Schlaganfall, Migräne, Hirnhautentzündung, Epilepsie, Multiple Sklerose, Schizophrenie, Alzheimer und Parkinson sind Krankheiten, die sich mit steigender Temperatur und Feuchtigkeit verschlimmern können.
Unser Gehirn ist dafür verantwortlich, die Herausforderungen der Umwelt, denen wir ausgesetzt sind, zu bewältigen, insbesondere hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, indem es zum Beispiel das Schwitzen auslöst und uns sagt, dass wir uns aus der Sonne in den Schatten begeben sollen. Jedes der Milliarden Neuronen in unserem Gehirn ist wie ein lernender, anpassungsfähiger Computer mit vielen elektrisch aktiven Komponenten. Viele dieser Komponenten arbeiten je nach Umgebungstemperatur unterschiedlich schnell und sind so konstruiert, dass sie in einem engen Temperaturbereich zusammenarbeiten. Unser Körper und alle seine Komponenten funktionieren gut innerhalb dieser Grenzen, an die wir uns über Jahrtausende angepasst haben.
Der Mensch hat sich in Afrika entwickelt und fühlt sich im Allgemeinen bei Temperaturen zwischen 20 °C und 25 °C und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 20 % und 70 % wohl. Viele Komponenten des Gehirns arbeiten nahe an der oberen Grenze ihres Temperaturbereichs, was bedeutet, dass selbst ein geringer Anstieg der Temperatur oder der Luftfeuchtigkeit dazu führen kann, dass sie nicht mehr so gut zusammenarbeiten. Wenn sich diese Umweltbedingungen schnell in ungewohnte Bereiche bewegen, wie es bei extremen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel der Fall ist, hat unser Gehirn Schwierigkeiten, seine Temperatur zu regulieren, und beginnt zu versagen.
Einige Krankheiten können bereits das Schwitzen, das für die Kühlung unerlässlich ist, oder die Wahrnehmung, dass uns zu heiß ist, beeinträchtigen. Bestimmte Medikamente, die zur Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt werden, erschweren das Problem zusätzlich, indem sie die Reaktionsfähigkeit des Körpers beeinträchtigen – das Schwitzen reduzieren oder die Temperaturregelung im Gehirn stören. Diese Auswirkungen werden durch Hitzewellen noch verstärkt. Hitzewellen stören beispielsweise den Schlaf, und Schlafstörungen verschlimmern Krankheiten wie Epilepsie. Hitzewellen können dazu führen, dass fehlerhafte Verdrahtungen im Gehirn noch schlechter funktionieren, so dass sich die Symptome von Menschen mit Multipler Sklerose bei Hitze verschlimmern können. Höhere Temperaturen können das Blut dickflüssiger und anfälliger für Gerinnsel machen, da Hitzewellen zu Dehydrierung führen.
Es ist also klar, dass der Klimawandel viele Menschen mit neurologischen Erkrankungen betreffen wird, oft in unterschiedlicher Weise. Steigende Temperaturen führen zu mehr Krankenhauseinweisungen wegen Demenz. Bei Epilepsie kann sich die Anfallskontrolle verschlechtern, bei Multipler Sklerose können sich die Symptome verschlimmern und die Häufigkeit von Schlaganfällen und die Zahl der Schlaganfall-Todesfälle steigen. Auch viele häufige und schwere psychiatrische Erkrankungen, wie z. B. Schizophrenie, verschlechtern sich und die Hospitalisierungsraten steigen.
Während der Hitzewelle 2003 in Europa war jeder fünfte zusätzliche Todesfall auf neurologische Erkrankungen zurückzuführen.
Ungewöhnliche lokale Temperaturextreme, starke Temperaturschwankungen im Tagesverlauf und ungünstige Wetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen können neurologische Erkrankungen verschlimmern. Diese Auswirkungen werden durch besondere Umstände noch verstärkt. So können z.B. die Hitze in städtischen Gebieten und der Mangel an Grünflächen die schädlichen Auswirkungen von Hitzewellen auf neurologische und psychiatrische Erkrankungen verstärken.
Die globale Dimension der Menschen mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, die vom Klimawandel betroffen sein könnten, ist enorm. Weltweit leiden ca. 60 Millionen Menschen an Epilepsie. Weltweit gibt es etwa 55 Millionen Demenzkranke, von denen mehr als 60 % in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen leben. Mit zunehmender Alterung der Weltbevölkerung wird diese Zahl bis 2050 voraussichtlich auf über 150 Millionen ansteigen. Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache und eine der Hauptursachen für Behinderungen.
Hilfe anbieten
Die Notwendigkeit, den Klimawandel selbst in die Hand zu nehmen, ist offensichtlich. Die Regierungen müssen jetzt international koordinierte Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels ergreifen. Es wird jedoch noch Jahre dauern, bis ernsthafte Anstrengungen einen wirklichen Unterschied machen. In der Zwischenzeit können wir Menschen mit neurologischen Erkrankungen helfen, indem wir maßgeschneiderte Informationen über die Risiken von Wetterereignissen und Temperaturextremen bereitstellen. Ärzte und Gesundheitsexperten können erklären, wie diese Risiken verringert werden können. Wir können lokale Wetterwarnsysteme für neurologische Erkrankungen anpassen. Wir können auch mit den Betroffenen, ihren Familien und Betreuern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Wetterwarnungen und Maßnahmen für die betroffenen Gemeinden relevant und umsetzbar sind.
Wenn wir nicht beginnen, den Klimawandel als Teil der neurologischen Versorgung zu behandeln, laufen wir Gefahr, die Vorteile des wissenschaftlichen Fortschritts zu verlieren. Vielleicht am wichtigsten ist, dass neurologische Erkrankungen Einblicke in das geben, was mit einem gesunden Gehirn passieren kann, wenn es über seine evolutionären Grenzen und seine Fähigkeit zur Verhaltensanpassung hinaus belastet wird. Diese Möglichkeit wird immer wahrscheinlicher, je länger wir den Klimawandel ignorieren. Um weiterhin das Leben führen zu können, das wir uns wünschen, sollten wir dem Gefühl, dass es zu heiß wird, mehr Aufmerksamkeit schenken und etwas gegen den Klimawandel tun. Wir brauchen unser Gehirn: Der Klimawandel ist schlecht für sie.