Warum dein Gehirn vier Objekte leicht beurteilen kann, fünf aber nicht

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Seit mehr als einem Jahrhundert weiß die Forschung, dass Menschen im Allgemeinen sehr gut darin sind, Mengen von bis zu vier Objekten zu schätzen. Bei größeren Mengen nimmt die Schätzleistung jedoch deutlich ab – sie wird langsamer und fehleranfälliger.

Jetzt hat die Wissenschaft herausgefunden, warum. Das menschliche Gehirn verwendet einen Mechanismus, um vier oder weniger Objekte zu bewerten, und einen anderen, wenn es fünf oder mehr sind. Diese Ergebnisse beenden eine lange Debatte darüber, wie das Gehirn die Anzahl der Objekte bewertet, die eine Person sieht. Die Entdeckung ist wichtig für das Verständnis der Natur des Denkens. Im Kern geht es um die Frage der mentalen Architektur: Aus welchen Bausteinen setzt sich das menschliche Denken zusammen?

Eine hundertjährige Debatte

Die Grenzen der menschlichen Fähigkeit, große Mengen zu schätzen, haben viele Generationen von Wissenschaftlern vor ein Rätsel gestellt. In einem 1871 in der Zeitschrift “Nature” erschienenen Artikel beschrieb der Ökonom und Logiker William Stanley Jevons seine Untersuchungen über seine eigenen Zählfähigkeiten. Er kam zu dem Schluss, dass die Zahl fünf, zumindest für einige Menschen, außerhalb der Grenzen perfekter Unterscheidung liegt.

Einige Forscher haben argumentiert, dass das Gehirn ein einziges Schätzsystem verwendet, das bei größeren Zahlen einfach weniger genau ist. Andere vermuten, dass die unterschiedlichen Leistungen darauf zurückzuführen sind, dass es zwei getrennte neuronale Systeme zur Quantifizierung von Objekten gibt. In Experimenten konnte jedoch nicht geklärt werden, welches der beiden Modelle zutrifft.

Ein Forscherteam hatte nun die seltene Gelegenheit, die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn wacher Menschen aufzuzeichnen. Alle wurden in der Universitätsklinik Bonn wegen epileptischer Anfälle behandelt und hatten zur Vorbereitung einer Operation Mikroelektroden im Gehirn implantiert bekommen. Die Autoren zeigten 17 Teilnehmern eine halbe Sekunde lang Bilder mit null bis neun Punkten auf einem Bildschirm und fragten sie, ob sie eine gerade oder ungerade Anzahl von Elementen gesehen hätten. Wie erwartet, waren die Antworten der Teilnehmer viel genauer, wenn sie vier oder weniger Elemente sahen.

Aus früheren Untersuchungen wussten die Forscher bereits, dass es spezialisierte Neuronen gibt, die mit einer bestimmten Anzahl von Elementen verbunden sind. Einige feuern hauptsächlich, wenn ein Objekt gezeigt wird, andere, wenn zwei Objekte gezeigt werden, und so weiter. Die Analyse der neuronalen Aktivität der Teilnehmer zeigte, dass Neuronen, die auf Zahlen bis vier spezialisiert sind, sehr spezifisch und selektiv auf ihre bevorzugte Zahl reagieren. Neuronen, die auf die Zahlen fünf bis neun spezialisiert waren, reagierten dagegen stark auf ihre bevorzugte Zahl, aber auch auf Zahlen, die unmittelbar an ihre Zahl angrenzten.

Neuronen mit Rechenfunktion

Je höher die bevorzugte Zahl, desto weniger selektiv waren diese Neuronen. Zum Beispiel feuerten Neuronen, die für die Zahl 3 spezifisch waren, nur auf diese Zahl, während Neuronen, die die Zahl 8 bevorzugten, auf 8, aber auch auf 7 und 9 reagierten. Infolgedessen machten die Versuchspersonen mehr Fehler, wenn sie versuchten, eine größere Anzahl von Objekten zu quantifizieren. Dies deutet auf zwei unterschiedliche Zahlensysteme im Gehirn hin.

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