Wer schon einmal unter Migräne gelitten hat, weiß, dass es sich dabei nicht nur um Kopfschmerzen handelt. Diese quälenden, oft lähmenden Anfälle von Schmerz, Müdigkeit und Übelkeit können jederzeit auftreten – und nichts treibt einen mehr zurück ins Bett, als mit Migräne aufzuwachen.
Die Neurowissenschaften haben sich bisher schwer getan, die genauen Ursachen der Migräne zu ermitteln, aber einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Schlafmangel eine wichtige Rolle spielen könnte. Unsere aktuelle weltweite Studie zeigt, dass schlechter Schlaf das Risiko für Migräne am nächsten Tag erhöhen kann.
Die Beziehung zwischen Schlaf und Migräne ist komplex. Deshalb wollten wir diese Studie an einer wirklich großen Stichprobe durchführen, um mehr darüber zu erfahren. Es gibt viele Hinweise darauf, dass Menschen, die unter Migräne leiden, einen gestörten Schlaf haben.
Frühere Studien haben gezeigt, dass Schlafstörungen wie eingehende Textnachrichten oder häufiger nächtlicher Harndrang Migräneattacken auslösen können. In einer Grundlagenstudie aus dem Jahr 2007 gaben 50 Prozent der Menschen, die schon einmal an Migräne gelitten hatten, an, dass sie nach Schlafstörungen eher Migräne bekommen, und 32 Prozent sagten, dass Ausschlafen ein Auslöser für Migräne sei. Solche Unregelmäßigkeiten können die erholsame Wirkung des Schlafes beeinträchtigen und aus akuten Migräneattacken chronische werden lassen.
Einer der Gründe, warum der Zusammenhang zwischen Schlaf und Migräne so schwer zu verstehen ist, liegt darin, dass Migräneattacken in der Regel erst nach ihrem Auftreten untersucht werden. Viele Arbeiten stützen sich auf Berichte von Personen, die sich an ein früheres Ereignis erinnern oder schätzen, wie viele Stunden sie in der Nacht vor dem Migräneanfall geschlafen haben oder aufgewacht sind. Selbst berichtete Daten können manchmal unzuverlässig sein, da die Betroffenen sich möglicherweise falsch erinnern und ihre Erfahrungen übertreiben oder herunterspielen. In der jüngsten Studie wurde eine neue und zuverlässigere Methode zur Erhebung von Selbstauskünften verwendet.
Nachts wach, morgens Schmerzen
Unsere neue Studie unterscheidet sich von früheren Untersuchungen, da Tausende von Menschen im Alter von 18 bis 81 Jahren eine Smartphone-App verwendeten, um ihr Schlafverhalten in Echtzeit aufzuzeichnen, einschließlich der Zeiten, zu denen sie in einer Nacht zu Bett gingen und aufwachten, sowie der geschätzten Schlafdauer pro Nacht. Die Teilnehmer nutzten die App, um zu schätzen, wie oft sie nachts ihr Handy in die Hand nahmen; wenn sie es nicht taten, konnten wir annehmen, dass sie schliefen. Die daraus resultierende große Menge an realen Daten lieferte eine seltene Momentaufnahme des Zusammenhangs zwischen Migräne und Schlaf.
Von den mehr als 11.000 Menschen, die weltweit an der Studie teilnahmen, konzentrierten sich die Forscher auf 724 Personen in 38 Ländern, die mindestens acht Migräneanfälle pro Monat hatten – die klinische Definition für chronische Migräne. Wenn diese Teilnehmer über Migränesymptome berichteten, hatten sie in der Nacht zuvor häufig Schlafunterbrechungen erlebt. Für jede Schlafunterbrechung wurde ein um 17,4 Prozent erhöhtes Risiko für Migräne berechnet.
Es ist nicht wichtig, wie viele Stunden Sie schlafen. Wichtig ist die Qualität des Schlafes.
Eine Veränderung des Schlafrhythmus (weniger oder mehr Stunden als üblich) wirkte sich ebenfalls auf die Wahrscheinlichkeit einer Migräne am nächsten Tag aus. Für jede gestörte Nachtruhe stieg das Risiko, einen Migräneanfall zu erleiden, um 6,1 Prozent. Diese Abweichung vom normalen Schlafrhythmus könnte den Studienergebnissen zufolge erklären, warum Menschen mit Jetlag oder Schichtarbeiter anfälliger für Migräne sind.
Das Studienteam konnte nicht untersuchen, ob Schlafstörungen, psychiatrische Erkrankungen oder bestimmte Schlafchronotypen (so genannte Nachteulen und Morgenlerchen) Migräne beeinflussen. Diese Einschränkung ist auf die begrenzten medizinischen Informationen zurückzuführen, die eine Smartphone-App erfassen kann. Zukünftige Studien könnten Datenerhebungen zu Schlafstörungen und Chronotypen einbeziehen, da ein Zusammenhang besteht. In einer anderen Studie wurde beispielsweise festgestellt, dass Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, ein deutlich höheres Risiko haben, an Migräne zu erkranken.
Schlaf als Heilmittel
Neue Forschungsergebnisse klären einige Aspekte des Einflusses von Schlaf auf Migräneattacken, aber es bleiben noch Fragen offen. Schlaf und Migräne stehen in einer wechselseitigen Beziehung: Der Schmerz selbst kann Patienten nachts aufwecken und den Schlaf unterbrechen. Hinzu kommen Angst und Furcht vor einem Anfall, die ebenfalls zu Schlafstörungen führen können.
Die Studie zeigt, dass starke Migräneschmerzen den Schlaf verändern. Statt den Schlaf zu verkürzen, wie die Forscher ursprünglich vermutet hatten, führte der Schmerz zu mehr Schlaf. Es wird vermutet, dass die zusätzlichen Stunden Schlaf nach einer schmerzhaften Migräne dazu beitragen können, Störungen im Energiestoffwechsel des Gehirns zu beheben. Während des Schlafs entsorgt das Gehirn Abfallprodukte, und die Forschung deutet darauf hin, dass chronische Kopfschmerzen entstehen können, wenn dieser Prozess durch ein metabolisches Ungleichgewicht gestört wird.
Wissenschaftlich wird auch vermutet, dass ein chemischer Stoff im Gehirn, Adenosin, die Migräne beeinflussen kann. Adenosin ist ein Nebenprodukt des Energiestoffwechsels, wirkt aber auch als hemmender Neurotransmitter – ein Botenstoff, der die Gehirnzellen beeinflusst und die Blutgefäße erweitert. Wenn sich Adenosin im Laufe des Tages ansammelt, bremst es erregende Netzwerke wie das erregungsauslösende retikuläre Aktivierungssystem. Das wiederum führt zu Schläfrigkeit. Eine Hypothese besagt, dass während einer Migräneattacke die Adenosinkonzentration im Gehirn abnormal hoch ist. Dies könnte erklären, warum Menschen während einer Migräneattacke müde sind oder ein erhöhtes Schlafbedürfnis haben. Dies könnte auch der Grund sein, warum Koffein – ein Stimulans, das die Wirkung von Adenosin blockiert – während einer Migräne hilfreich sein kann, fügt Charles hinzu, der kürzlich die Auswirkungen von Koffein auf den Schlaf von Mäusen untersucht hat.
Die Beziehung zwischen Schlaf und Migräneattacken gleicht einer endlosen Rückkopplungsschleife. Einerseits stören Migräneanfälle den Schlaf und erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Anfalls. Wie neuere Forschungsergebnisse zeigen, kann zu viel Schlaf aber auch zu mehr Migräneanfällen führen. Diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist der Schlüssel für zukünftige Migränetherapien – und ein ungestörter Schlafrhythmus könnte ein guter Ansatzpunkt sein.